„Liaison“: Apples Agententhriller trotz Eva Green und Vincent Cassel blass – Review (2024)

Französisch-englische Hackerjagd ist mehr Euro-Pudding als „James Bond“

Rezension von Marcus Kirzynowski – 23.02.2023, 17:30Uhr

„Liaison“: Apples Agententhriller trotz Eva Green und Vincent Cassel blass – Review (2)

Zwei syrische Hacker knacken das Computernetzwerk der Regierung, um dem verhassten Präsidenten Assad einen Schlag zu versetzen. Dabei stoßen sie aber auch auf noch brisantere Daten: die Pläne für einen großen Terroranschlag in London. Weil Samir (Aziz Dyab) und Walid (Marco Horanieh) wissen, dass ihr Leben in Gefahr ist, nehmen sie Kontakt mit der französischen Regierung auf. Asyl als Gegenleistung für die Pläne ist ihre Hoffnung, aber der Geheimdiensteinsatz, bei dem Ex-Fremdenlegionär Gabriel Delage (Vincent Cassel) die beiden außer Landes bringen soll, geht schief. Walid landet stattdessen in einem Londoner Krankenhaus, Samir in einem Flüchtlingscamp in Dünkirchen.

Mit „Liaison“ legt der Streamingdienst Apple TV+ seine erste „französisch-englische“ Serie vor. Anders als bei Netflix oder Amazon Prime ist das Angebot dort bislang fast ausschließlich US-amerikanisch. Um gezielter ein europäisches Publikum anzusprechen, versucht man sich nun also an einer grenzüberschreitenden Koproduktion, die gleich zwei der bekanntesten Metropolen des Alten Kontinents prominent in Szene setzt: London und Paris. Die Hauptrollen wurden entsprechend mit auch international bekannten europäischen Stars besetzt: Neben Cassel („Westworld“, „Jason Bourne“) spielt Eva Green („James Bond 007: Casino Royale“, „Penny Dreadful“) die britische Agentin Alison Crowley (obwohl Green selbst Französin ist).

Crowley arbeitet bei der Londoner Einheit für Cybersicherheit. Sie bekommt bald alle Hände voll zu tun, denn die Angriffe auf die sicherheitsrelevanten Netzwerke des Landes häufen sich. Zuerst sind es Schleusen und Dämme, die bei einer Themseflut ausfallen und für Überschwemmungen sorgen. Dann stehen plötzlich alle Bahnsignale gleichzeitig auf Grün, wodurch zwei Züge zusammenstoßen. In einem davon saß zufällig Alisons Stieftochter Kim (Bukky Bakray). Das trägt nicht wirklich etwas zur Handlung bei, ist aber leider nur ein Beispiel für den Hang der DrehbuchautorInnen um Virginie Brac („Spiral“, „Cannabis“) zu überkonstruierten Zusammenhängen.

Die Franzosen schicken unterdessen Gabriel nach London, um die Hacker doch noch für Paris zu gewinnen. Und so treffen am Ende der Auftaktfolge schließlich Gabriel und Alison aufeinander, die eine gemeinsame Vergangenheit haben und nun mal zusammen, mal gegeneinander kämpfen, während sie sich wechselseitig anschmachten. Im Hintergrund laufen inzwischen einige Intrigen. So sind sich die engsten Sicherheitsberater des französischen Präsidenten alles andere als einig und verfolgen jeweils ihre eigene Agenda: Während Sophie Saint-Roch (Irène Jacob aus „Drei Farben: Rot“) der Vernunft folgt, überschreitet Didier Taraud (aalglatt: Stanislas Merhar) auch die Grenzen des Legalen, um seine Karriere voranzutreiben. Er möchte mit allen Mitteln verhindern, dass die Briten angesichts der konkreten Bedrohung wieder dem Cybersicherheitsschirm der EU beitreten.

Dieses Ansinnen führt nämlich Alison und einen Kollegen nach Brüssel, wo sie mit Kommissionsmitarbeiter Vandermeer (Nikolai Kinski in einer kleinen Rolle) verhandeln sollen. Nun ist dummerweise dessen Mitarbeiterin Sabine Louseau (Laetitia Eido aus der ersten „Fauda“-Staffel) gleichzeitig die Geliebte von Taraud – so viel zum Thema Überkonstruktion. Und weil man ohne anscheinend im Agentengenre nicht auskommt, zieht im Geheimem auch noch ein zwielichtiger Unternehmer die Fäden, dem Menschenleben völlig schnuppe sind.

Ein bisschen James Bond, reichlich unglückliche Liebe und sexuelle Anziehung und eine Prise Post-Brexit-Politintrigen sind also die Zutaten, die Apple in „Liaison“ zusammenmixen ließ. Die meiste Zeit nehmen dabei die nicht immer einfach nachzuvollziehenden Ent- und Verwicklungen um die beiden Agenten, deren diverse Vorgesetzte und die Hacker ein. Da wird sehr viel geredet (natürlich zweisprachig, manchmal kommen noch Arabisch und Russisch hinzu), wobei die Dialoge leider über die Informationsvermittlung hinaus keine weiteren Qualitäten aufweisen. Unterbrochen werden diese vielen talking heads ab und zu durch unvermittelt eingestreute Actionszenen, die zwar solide inszeniert sind (Regisseur Stephen Hopkins bringt immerhin seine „24“-Erfahrung mit), aber irgendwie aufgesetzt wirken.

Neben der Unglaubwürdigkeit der Zusammenhänge krankt die Serie aber vor allem an der mangelnden Chemie zwischen ihren Hauptdarstellern. Gabriel und Alison, der Söldner mit der schiefen Nase und die eiskalte schöne Agentin, sollen ein ehemaliges Liebespaar sein, das durch seine immer noch brodelnde Leidenschaft innerlich zerrissen ist. Davon ist leider überhaupt nichts zu spüren, eher wirken die beiden wie ein altes Ehepaar, das sich nicht mehr viel zu sagen hat.

Durch das ständige Hin und Her zwischen den Schauplätzen Paris und London (in Folge 3 kommt dann noch Brüssel hinzu) und den Wechsel der Sprachen, die jeweils zu 50 Prozent zum Zuge kommen müssen, wirkt das Ganze zudem wie eine dieser typischen Euro-Pudding-Produktionen im Stil von „The Team“ oder „Crossing Lines“, bei denen die gleichmäßige Verteilung der Produktionsmittel auf die Länder wichtiger erscheint, als dramaturgische Notwendigkeiten.

Die wirklich interessanten Aspekte der Geschichte, etwa die Problematik der syrischen Geflüchteten, um die sich europäische Länder nur scheren, wenn es sich um Top-Hacker handelt, werden nur als Plot Device benutzt. So wie sich die ganze Serie im Grunde nicht für die „normalen“ Menschen interessiert, die von Terror und Geheimdienstaktionen betroffen sind. Was man auch an Alisons Stieftochter sieht, die eben nur selbst im Unglückszug sitzt, um die Spannung kurzzeitig zu steigern und eine persönliche Betroffenheit zu behaupten, die aber letztlich keinerlei Konsequenzen hat. Eigene Charaktere im Wortsinne sind weder das Mädchen noch die Geflüchteten.

So bleibt eine teilweise durchaus spannende, insgesamt aber zu krude und von den Drehbüchern zu wenig unterfütterte Thrillerhandlung, an der Fans des Genres vielleicht Gefallen finden könnten. Es gibt aber auch in diesem Genre wesentlich Besseres.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „Liaison“.

Meine Wertung: 3/​5

Die sechs Episoden werden ab dem 24. Februar jeweils freitags auf Apple TV+ veröffentlicht.

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Author: Rueben Jacobs

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